Wir erinnern uns: da wurde der „Professor aus Heidelberg“ in das sogenannte Kompetenzteam(* der CDU/CSU berufen und alles sah toll aus. Ein Professor als Minister, wenn das nicht geballte Kompetenz ist? Doch der politische Gegner zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt und griff Kirchhofs Pläne für eine Steuerreform als unsozial an.
Während der Professor vor interessiertem Publikum aus der Wirtschaft seine Ideen vorstellte, fragte die SPD immer lauter nach der nicht veröffentlichten Streichungsliste und mutmaßte, hier sollten vor allem die Vergünstigungen für den kleinen Mann fallen – dem die Union auch erklären müsste, warum er steuerlich mit dem Großverdiener gleichgestellt werde.
Nun, Wahlkämpfe haben so ihre Eigendynamik. Also bemüht sie die Union klarzustellen, dass Kirchhofs Pläne in der kommenden Legislaturperiode nicht umgesetzt werden, sondern frühestens nach 2009 und der gemeine Wähler fragt sich, warum zum Teufel dann überhaupt jetzt so ein Hype darum gemacht wird? Und gleichzeitig die SPD-Plakate von der CDU als unredlich deklariert werden, auf denen vorgerechnet wird, wie sich die Steuerlast unter Merkel verschieben soll?
Gleichzeitig werden zwei neue Töpfe aufgemacht und dem Wahlvolk vor die Nase geschoben.
Zum einen taucht ganz plötzlich Friedrich Merz auf, der sich vor knapp einem Jahr zurückgezogen hatte. Nein, er springt uns nicht wie ein „Jack in the box“ ins Gesicht. Viel besser: Angela Merkel höchst persönlich lobt ihren alten Konkurrenten überraschend über den Klee und Niedersachsens Ministerpräsident empfiehlt ihn als für die Spitzenmannschaft der Union unentbehrlich.
Nicht minder spannend ist das Spiel um Eichels Streichliste. Redlich wie christliche Politiker zu sein haben, sprechen die Unionsgeneräle Kauder und Söder von Wahlbetrug und einem Finanzminister mit einer Glaubwürdigkeit unter Münchhausen-Niveau. Was war passiert: Am Wochenende war eine Liste aufgetaucht, die angeblich aus der Führungsebene des Finanzministeriums stammt und Posten enthält, deren Streichung zur Konsolidierung des Etats überprüft werden müsse. Unfreiwillig (?) fühle ich mich an Monty Python erinnert: „Sie war’s! Sie war’s! äääääh Er war’s“. Das Ministerium spricht von einer Aktion CDU-naher Beamter und kündigt eine Überprüfung an, worauf die Union mit der Rede von Disziplinierung auf DDR-Niveau reagiert.
Man möchte den sprichwörtlichen großen Sack nehmen und alle reinstopfen. Feste draufhauen und dabei nie den Falschen treffen. Aber lange dauert der Wahlkampf ja nicht mehr. Vielleicht erinnern sich die Damen und Herren dann auch wieder daran, warum der gemeine Wähler sie in Amt und Würden hebt. Nicht, um Parteipolitik zu betreiben, sondern um die Probleme des Landes zu lösen.
Lachen würde ich ja, wenn am Abend des kommenden Sonntages feststehen würde, dass nur eine große Koalition möglich ist. Also jene Option, die die Spitzenvertreter aller Parteien scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Ich würde mich an die markigen Worte aus München und Berlin erinnern und es wäre mir ein Fest: ich habe ja Verständnis dafür, dass etwa Merkel (in anderer Konstellation: Westerwelle) nicht mit Schröder will. Ich habe auch Verständnis, dass Schröder nicht mit Gysi und Lafontaine will. Aber das zu entscheiden obliegt nicht den Parteien, sondern dem Wähler. Er entscheidet an der Urne und die Parteien müssen daraus das machen, was unser Wahlsystem erlaubt, nicht was ihnen besser gefällt.
*) „Kompetenzteam“ ist eine dieser Wortschöpfungen die zum medialen Wahlkampf zu gehören scheinen. Das gute alte „Schattenkabinett“ war der Union – bzw. ihren Werbefachleuten im Hintergrund – im Wahlkampf 2002 nicht mehr dynamisch genug, ausserdem ist „Schatten“ offenbar negativ besetzt und „Kabinett“ einfach zu brav. Also muss das dynamisch (?) wirkende „Team“ aus dem Englischen bemüht und mit der positiv besetzten „Kompetenz“ verbunden werden.
Wie dankbar die Medien für solche Begriffe sind, zeigt der Erfolg dieser Wortschöpfung im aktuellen Wahlkampf: weite Teile der schreibenden (und sprechenden) Zunft haben das „Kompetenzteam“ inzwischen derart verinnerlicht, dass es nun auch schon für andere Parteien in der Berichterstattung benutzt wird.