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Die AllgemeinBILDung der Wirtschaftskapitäne.

23.09.2005

Hans Olaf Henkel ist sicherlich nicht wirtschaflich darauf angewiesen, für „BILD“ Kommentare zu verfassen. Dass er es geschafft hat, sich dem üblichen Rechercheniveau des Blattes anzupassen, ist dem BILDblog aufgefallen. In seinem aktuellen „Kommentar“ (sofern ein Beitrag dieser Länge schon als solcher bezeichnet werden kann) schreibt er:

Das bedeutet: Im Geleitzug der Industrienationen sitzen wir nicht mehr wie früher in der Lokomotive, sondern endgültig im Bremserhäuschen.

Nun gebe ich ja gerne zu, dass ein Wirtschaftskapitän sich mit Eisenbahnen oder der Seefahrt nicht zwingend auskennen muss. Aber als er sein hübsches Bild mit Lokomotiven und Bremshäuschen gemalt hat, vergaß Henkel schlicht, dass Geleitzüge eher selten auf Schienen vorzufinden sind.

Via BILDblog (auf das man nicht oft genug hinweisen kann).

Wall erobert Freiburg

22.09.2005

Wall erobert Freiburg 2Anfang September hat die Firma Wall die Stadt Freiburg mit den ersten (!) 130 „Stadtmöbeln“ – so nennt man das heute – ausgestattet. Neben der laut gepriesenen Weltneuheit – einer selbstreinigenden Toilette bei der aus zwei Kabinen eine wird, wenn sie von Körperbehinderten benutzt wird – handelt es sich dabei um ein paar Infoterminals an denen Passanten sogar 5 Minuten kostenlos im Netz surfen können (was für einen kurzen Check des Webmail-Accounts auf Reisen durchaus praktisch sein mag) und hauptsächlich um „moderne Litfaßsäulen“. (Siehe dazu auch den Pressetext)

Wall erobert Freiburg 3Allerdings muss man sich als Autofahrer schon wundern, wo diese – in der Nacht hell beleuchteten – Werbetafeln aufgestellt werden: Sie stehen besonders häufig neben Ampeln oder auf den Grünstreifen zwischen Fahrbahnen. Und dort ziehen sie – insbesondere im Dunkeln – die Aufmerksamkeit der Fahrzeuglenker auf sich oder versperren schlicht und einfach die freie Sicht auf das Verkehrsgeschehen. Das mag im Sinne der Werbeindustrie sein – ist es aber auch im Sinne der Verkehrssicherheit?

Ein Bekannter aus Berlin kommentierte mein erstes „Wall-Foto“ bei Flickr wie folgt:

hans wall spielt sich hier schon seit jahren als wohltäter auf indem er überall seine „stadtmöbel“ aufstellt, ohne kosten für die stadt. das er als gegenleistung hunderte großwerbetafeln aufstellen darf, wird dabei selten erwähnt

Warum ist eigentlich noch niemand darauf gekommen, Verkehrsschilder bürgerfreundlich zu verschönern? Unsere Städte sollen ja weiterhin schick möbliert sein!
Ich habe mal – Quick & Dirty, ‚tschuldigung! – einen Entwurf hingespengelt, wie das aussehen könnte. Platz ist ja da!

Verkehrsschild mit Werbung - wie es aussehen könnte!

[Wahl ’05] Die Bundestagswahl und ihre Sieger

19.09.2005

Zu den WahlräumenWie schrieb ich noch vor knapp einer Woche?

Lachen würde ich ja, wenn am Abend des kommenden Sonntages feststehen würde, dass nur eine große Koalition möglich ist.

Und was haben wir nun? Rot-Grün hat erwartungsgemäß die Mehrheit verloren und Schwarz-Gelb überraschend die Mehrheit deutlich verpasst. Beide große Volksparteien wurden fett abgewatscht. Aber Merkel wurde natürlich „ganz klar“ der Auftrag zur Regierungsbildung erteilt und Schröder? Für den ist klar, dass er Kanzler bleibt. Wohlgemerkt: beide Parteien haben sich gerade eben erst Wahlergebnisse nahe ihres jeweiligen Negativrekords geholt. Aber beide sehen sich als die strahlenden Sieger.

Gewonnen haben andere: die FDP und die neue Linkspartei aus PDS und WASG. Mit etwas gutem Willen noch die Grünen, die im Vergleich zu 2002 stabil geblieben sind. Aber das ist jetzt Nebensache.

Denn plötzlich kommt Merkel – die eine große Koalition gerade noch kategorisch ausgeschlossen hatte – auf den schier revolutionär wirkenden Gedanken, dass sie ja jetzt mit allen Parteien über eine mögliche Kooperation sprechen muss. Also auch mit Schröders SPD. Was dann eine große Koalition ergäbe.

Schröder, der andere Sieger des Abends, schließt eine große Koalition unter Merkel kategorisch aus. Er sieht sich im Amt bestätigt, weil die SPD keinen Erdrutsch erlebte, wie noch im Frühsommer befürchtet. Sein Auftritt in der ARD-Elefantenrunde war bemerkenswert: der sonst eher souverän auftretende „Medienkanzler“ schien ein wenig die Bodenhaftung verloren zu haben. So lachhaft Merkels „klarer Wählerauftrag“ ist, so peinlich wirkte die vom Kanzler empfundene und markig vorgetragene Bestätigung im Amt.
Dazu bedarf es mindestens des „Wunders von Dresden“: Dem rechnerischen Extremfall (so die ARD), wonach es bei einem entsprechenden Ergebnis im Wahlkreis 160 am 2. Oktober zu einem Patt bei den Bundestagssitzen zwischen den beiden Volksparteien kommen könnte. Und auch dann bliebe ein Patt eben ein Patt.

Etwas anderes als die große Koalition bleibt aber nicht übrig. Zumindest wenn es denn bei den Aussagen der FDP bleibt: Westerwelle hatte betont, seine Partei stünde nicht für „Ampel und andere Hampeleien“ zur Verfügung – womit ja auch die „Jamaika-Ampel“ (Schwarz-Gelb-Grün sind die Farben Landesfahne) gemeint sein dürfte.
Die normale „Ampel“ dürfte jedenfalls die unwahrscheinlichste Option bleiben: Für die FDP wäre es wohl längerfristig politischer Selbstmord, entgegen allen Ankündigungen nun doch mit Rot-Grün zu koalieren – gerade mit Blick auf die frühere Wankelmütigkeit der Partei in Koalitionsfragen.

Demondeluxe kommt in Eudemonia zu folgendem Schluss:

Man darf gespannt sein auf die Koalition, die am Ende dabei herauskommt. […] Sicher ist dabei nur eines: Dass so ziemlich alle Beteiligten ihre Aussagen von noch vor wenigen Stunden Lügen strafen werden und die wahnwitzigsten Ausreden bemühen werden, warum sie jetzt mit denen, die sie monatelang mit wüstesten Beschimpfungen überzogen haben, gemeinsam Deutschland regieren zu können glauben.

Ich denke, das kann man so unterschreiben.

Microsoft empfiehlt… das iBook!

17.09.2005

microsoft empfiehlt ibook„Enabling a new level of confidence in your computer“ heisst es da auf der Werbeseite von Microsoft Vista. Daneben eine Frau am Notebook. Genauer: am iBook, wie Steffen Nork mit scharfem Blick feststellte.

Guckst Du hier [Anmerkung vom 22.09.: inzwischen wurde man bei Microsoft offenbar darauf aufmerksam und hat das Bild heimlich, still und leise retouchiert *g*]. Ausschnittsvergrößerung dort.

Tja… ausnahmsweise kann ich dem Software-Unternehmen aus Redmond da zustimmen ;)

(Via „Mac Essentials„)

[Wahl ’05] Wählbar?

15.09.2005

Was können die beiden großen Volksparteien richtig gut? Schlecht!

http://www.die-falsche-wahl.de/
http://www.leere-versprechen.de/

Wie sagte ein (ausländischer) Freund heute am Telefon zu mir? „Hast Du Dich schon entschieden ob Du Deine Stimme am Sonntag Not oder Elend gibst?“

[Wahl ’05] Endspurt: CSU wird dünnhäutig

15.09.2005

Stoiber tobt, die SPD betreibe einen gigantischen Wählerbetrug, wenn Eichel seine Sparpläne nicht offenlegt – und der Wähler ohne Parteibrille fragt sich, was es dann ist, wenn die Union die eigenen Streichlisten nicht veröffentlichen will.

So stolperte ich heute ‚mal wieder über das CSU-Wahlblog und kommentierte den entsprechenden Artikel. Ich nahm dieses Beispiel und betonte im Übrigen, dass ich mich über den Wahlkampf aller Parteien ärgere. Wie ich nun etwa zwei Stunden später nachsehen will, was andere für Kommentare hinterlassen haben: gähnende Leere unter dem Artikel. Kommentarfunktion abgeschaltet, alle Kommentare gelöscht.

Das gleiche übrigens beim Beitrag „Moderner Wahlkampf„, wo die CSU-Blogger der Parteientscheidung frenetischen Applaus spenden, mit SPAM in die letzte Phase des Wahlkampfs zu schreiten (heise.de berichtete). Hier stehen zwar noch ein paar Trackbacks, aber alle Kommentare sind verschwunden.
Fairerweise sei gesagt, dass auch hier vom willenlosen Claqueur bis zum boshaften Kritiker alle zensiert wurden. [Nachtrag: ich finde inzwischen überhaupt keinen Kommentar mehr im gesamten CSU-Blog.]

Unabhängig von mimosenhaften Blog-Admins macht dieser Wahlkampf 2005 es mir nicht leicht. Ich werde selbstverständlich am Sonntag wählen gehen, aber nach dem – teilweise ekelerregenden – Schauspiel der letzten Wochen… welche Partei soll man da wählen?!

[Nachtrag: interessanterweise steht jetzt (18h33) – wie lange? – dieses PDF mit den Kommentaren zu erstgenanntem Blog-Eintrag auf csu.de – danke an DDL für den Hinweis]

Trusted Computing

15.09.2005

AgainstTCPATrusted Computing. Klingt toll – ist es das auch?

Ein kleines Filmchen erklärt es hier (auf Englisch), Kategorie „sehenswert“ – nicht nur informativ sondern auch gut gemacht :-)

Da Arzt und Apotheker in diesem Fall keine Hilfe sind, sei Dir natürlich auch diese TCPA-kritische Seite ans Herz gelegt, um Dich (auf Deutsch) über die Gefahren und Risiken zu informieren.

[Wahl ’05] Erststimme, Zweitstimme?

13.09.2005

Die kleinen Parteien kämpfen um die Zweitstimme und viele Wähler sind schlicht verwirrt, was das denn mit diesen beiden Stimmen so auf sich hat.

Neulich chattete ich mit Zucker, die das in ihrem Blog laienfreundlich erklären wollte und nach dem Lesen diverser offiziellen Seiten etwas entnervt war. Da erinnerte ich mich an das kleine Wahl-FAQ, welches die PLL – eine virtuelle Partei der Politik-Community „dol2day“ – vor drei Jahren unter der Federführung von Bornheimer entworfen und auf meinem Server untergebracht hatte.

Und nun ist der Text bei Zucker zu neuen Ehren gekommen :-) Hier klicken!

Beckstein und das böse Internet

12.09.2005

Auch Politiker sind nur Menschen und können nicht auf allen Gebieten Experten sein. Aber wenn man von etwas nur eine eingeschränkte Ahnung hat, sollte man…

Achso… worum es geht: Gegenüber dem Handelsblatt hat Günther Beckstein (CSU, in Merkels Schattenkabinett für das Innenministerium vorgesehen) festgestellt, dass man sich im Internet Bastelanleitungen für Bomben herunterladen könne und man bräuche „kaum“ chemisches Know-How, um sich mit Hausmitteln eine Bombe basteln zu können.

Soweit ist das nicht falsch, Herr Beckstein. Aber vielleicht bemühen Sie sich mal in die öffentliche Bibliothek Ihres Wahlkreises und stellen mit Erschrecken fest, dass es zum Finden einer Bauanleitung für eine Bombe keines Internet-Anschlusses bedarf – von der naiven Forderung, hier mit „guten Filterprogrammen“ einen Riegel vor die Verbreitung derartiger Informationen zu schieben, wollen wir ja gar nicht erst reden.

Wer meint seine Bürger mit „guten Filtern“ vor solchen Informationen schützen zu wollen, ist entweder naiv oder will Zensur. Ein freiwillig auf jedem Rechner installierter Filter dürfte kaum gemeint sein, so denkt man dann an China, das sich anschickt, seine Bürger vor Skype zu „schützen„.

Frage am Rande: Glaubt der Minister ernsthaft, Terroristen seien auf diese Informationen aus dem Internet angewiesen oder sind seit Anfang der 1990er die Zahlen der Hobby-Bombenbastler in die Höhe geschnellt?

[Wahl ’05] „Kirchof oder Merz?“ und andere Fragen

12.09.2005

Wir erinnern uns: da wurde der „Professor aus Heidelberg“ in das sogenannte Kompetenzteam(* der CDU/CSU berufen und alles sah toll aus. Ein Professor als Minister, wenn das nicht geballte Kompetenz ist? Doch der politische Gegner zeigte sich nicht sonderlich beeindruckt und griff Kirchhofs Pläne für eine Steuerreform als unsozial an.

Während der Professor vor interessiertem Publikum aus der Wirtschaft seine Ideen vorstellte, fragte die SPD immer lauter nach der nicht veröffentlichten Streichungsliste und mutmaßte, hier sollten vor allem die Vergünstigungen für den kleinen Mann fallen – dem die Union auch erklären müsste, warum er steuerlich mit dem Großverdiener gleichgestellt werde.

Nun, Wahlkämpfe haben so ihre Eigendynamik. Also bemüht sie die Union klarzustellen, dass Kirchhofs Pläne in der kommenden Legislaturperiode nicht umgesetzt werden, sondern frühestens nach 2009 und der gemeine Wähler fragt sich, warum zum Teufel dann überhaupt jetzt so ein Hype darum gemacht wird? Und gleichzeitig die SPD-Plakate von der CDU als unredlich deklariert werden, auf denen vorgerechnet wird, wie sich die Steuerlast unter Merkel verschieben soll?

Gleichzeitig werden zwei neue Töpfe aufgemacht und dem Wahlvolk vor die Nase geschoben.

Zum einen taucht ganz plötzlich Friedrich Merz auf, der sich vor knapp einem Jahr zurückgezogen hatte. Nein, er springt uns nicht wie ein „Jack in the box“ ins Gesicht. Viel besser: Angela Merkel höchst persönlich lobt ihren alten Konkurrenten überraschend über den Klee und Niedersachsens Ministerpräsident empfiehlt ihn als für die Spitzenmannschaft der Union unentbehrlich.

Nicht minder spannend ist das Spiel um Eichels Streichliste. Redlich wie christliche Politiker zu sein haben, sprechen die Unionsgeneräle Kauder und Söder von Wahlbetrug und einem Finanzminister mit einer Glaubwürdigkeit unter Münchhausen-Niveau. Was war passiert: Am Wochenende war eine Liste aufgetaucht, die angeblich aus der Führungsebene des Finanzministeriums stammt und Posten enthält, deren Streichung zur Konsolidierung des Etats überprüft werden müsse. Unfreiwillig (?) fühle ich mich an Monty Python erinnert: „Sie war’s! Sie war’s! äääääh Er war’s“. Das Ministerium spricht von einer Aktion CDU-naher Beamter und kündigt eine Überprüfung an, worauf die Union mit der Rede von Disziplinierung auf DDR-Niveau reagiert.

Man möchte den sprichwörtlichen großen Sack nehmen und alle reinstopfen. Feste draufhauen und dabei nie den Falschen treffen. Aber lange dauert der Wahlkampf ja nicht mehr. Vielleicht erinnern sich die Damen und Herren dann auch wieder daran, warum der gemeine Wähler sie in Amt und Würden hebt. Nicht, um Parteipolitik zu betreiben, sondern um die Probleme des Landes zu lösen.

Lachen würde ich ja, wenn am Abend des kommenden Sonntages feststehen würde, dass nur eine große Koalition möglich ist. Also jene Option, die die Spitzenvertreter aller Parteien scheuen wie der Teufel das Weihwasser. Ich würde mich an die markigen Worte aus München und Berlin erinnern und es wäre mir ein Fest: ich habe ja Verständnis dafür, dass etwa Merkel (in anderer Konstellation: Westerwelle) nicht mit Schröder will. Ich habe auch Verständnis, dass Schröder nicht mit Gysi und Lafontaine will. Aber das zu entscheiden obliegt nicht den Parteien, sondern dem Wähler. Er entscheidet an der Urne und die Parteien müssen daraus das machen, was unser Wahlsystem erlaubt, nicht was ihnen besser gefällt.

*) „Kompetenzteam“ ist eine dieser Wortschöpfungen die zum medialen Wahlkampf zu gehören scheinen. Das gute alte „Schattenkabinett“ war der Union – bzw. ihren Werbefachleuten im Hintergrund – im Wahlkampf 2002 nicht mehr dynamisch genug, ausserdem ist „Schatten“ offenbar negativ besetzt und „Kabinett“ einfach zu brav. Also muss das dynamisch (?) wirkende „Team“ aus dem Englischen bemüht und mit der positiv besetzten „Kompetenz“ verbunden werden.
Wie dankbar die Medien für solche Begriffe sind, zeigt der Erfolg dieser Wortschöpfung im aktuellen Wahlkampf: weite Teile der schreibenden (und sprechenden) Zunft haben das „Kompetenzteam“ inzwischen derart verinnerlicht, dass es nun auch schon für andere Parteien in der Berichterstattung benutzt wird.