[Wahl ’05] Die Bundestagswahl und ihre Sieger
Wie schrieb ich noch vor knapp einer Woche?
Lachen würde ich ja, wenn am Abend des kommenden Sonntages feststehen würde, dass nur eine große Koalition möglich ist.
Und was haben wir nun? Rot-Grün hat erwartungsgemäß die Mehrheit verloren und Schwarz-Gelb überraschend die Mehrheit deutlich verpasst. Beide große Volksparteien wurden fett abgewatscht. Aber Merkel wurde natürlich „ganz klar“ der Auftrag zur Regierungsbildung erteilt und Schröder? Für den ist klar, dass er Kanzler bleibt. Wohlgemerkt: beide Parteien haben sich gerade eben erst Wahlergebnisse nahe ihres jeweiligen Negativrekords geholt. Aber beide sehen sich als die strahlenden Sieger.
Gewonnen haben andere: die FDP und die neue Linkspartei aus PDS und WASG. Mit etwas gutem Willen noch die Grünen, die im Vergleich zu 2002 stabil geblieben sind. Aber das ist jetzt Nebensache.
Denn plötzlich kommt Merkel – die eine große Koalition gerade noch kategorisch ausgeschlossen hatte – auf den schier revolutionär wirkenden Gedanken, dass sie ja jetzt mit allen Parteien über eine mögliche Kooperation sprechen muss. Also auch mit Schröders SPD. Was dann eine große Koalition ergäbe.
Schröder, der andere Sieger des Abends, schließt eine große Koalition unter Merkel kategorisch aus. Er sieht sich im Amt bestätigt, weil die SPD keinen Erdrutsch erlebte, wie noch im Frühsommer befürchtet. Sein Auftritt in der ARD-Elefantenrunde war bemerkenswert: der sonst eher souverän auftretende „Medienkanzler“ schien ein wenig die Bodenhaftung verloren zu haben. So lachhaft Merkels „klarer Wählerauftrag“ ist, so peinlich wirkte die vom Kanzler empfundene und markig vorgetragene Bestätigung im Amt.
Dazu bedarf es mindestens des „Wunders von Dresden“: Dem rechnerischen Extremfall (so die ARD), wonach es bei einem entsprechenden Ergebnis im Wahlkreis 160 am 2. Oktober zu einem Patt bei den Bundestagssitzen zwischen den beiden Volksparteien kommen könnte. Und auch dann bliebe ein Patt eben ein Patt.
Etwas anderes als die große Koalition bleibt aber nicht übrig. Zumindest wenn es denn bei den Aussagen der FDP bleibt: Westerwelle hatte betont, seine Partei stünde nicht für „Ampel und andere Hampeleien“ zur Verfügung – womit ja auch die „Jamaika-Ampel“ (Schwarz-Gelb-Grün sind die Farben Landesfahne) gemeint sein dürfte.
Die normale „Ampel“ dürfte jedenfalls die unwahrscheinlichste Option bleiben: Für die FDP wäre es wohl längerfristig politischer Selbstmord, entgegen allen Ankündigungen nun doch mit Rot-Grün zu koalieren – gerade mit Blick auf die frühere Wankelmütigkeit der Partei in Koalitionsfragen.
Demondeluxe kommt in Eudemonia zu folgendem Schluss:
Man darf gespannt sein auf die Koalition, die am Ende dabei herauskommt. […] Sicher ist dabei nur eines: Dass so ziemlich alle Beteiligten ihre Aussagen von noch vor wenigen Stunden Lügen strafen werden und die wahnwitzigsten Ausreden bemühen werden, warum sie jetzt mit denen, die sie monatelang mit wüstesten Beschimpfungen überzogen haben, gemeinsam Deutschland regieren zu können glauben.
Ich denke, das kann man so unterschreiben.