[Wahl ’05] Die Ölreserven und der Wahlkampf
Es herrscht Wahlkampf in Deutschland und gleichzeitig explodieren die Benzinpreise, besonders seit der Hurricane „Katrina“ nicht nur den amerikanischen Süden verwüstete, sondern auch zum Verlust von etwa 30 Förderstationen im Golf von Mexico führte. Die US-Regierung reagiert mit der Ankündigung, „auf Anforderung Raffinerien Öl aus den strategischen nationalen Reserven leihweise zu überlassen“, wie die „Financial Times Deutschland“ (FTD) schreibt.
Sagte ich schon? Es herrscht Wahlkampf. Eben. Also kommen Merkel und Westerwelle auf die geniale Idee, wir sollten unserer Rohölreserven anzapfen, um den Preis zu korrigieren. Die „Bild“-Zeitung greift das heute in bester Stammtischsprache auf und titelt auf Seite 1 neben dem Bild eines grimmig blickenden Kanzlers: „Staat bunkert Öl-Reserven für 90 Tage – Kanzler rück den Billig-Sprit raus!„ (Foto gibt’s beim Pottblogger).
Erwähnte ich es bereits? Es herrscht Wahlkampf. Andere Medien sind da zurückhaltender und das hat gute Gründe. Die Reserven der Bundesrepublik sind für den Notfall angelegt – nicht für staatliche Korrektiveingriffe in den Markt. Steht die Welt da nicht ein wenig Kopf? Die SPD verweigert diese sozialistisch wirkende Einflussnahme, während Union und FDP (besonders überraschend!) trotz leerer Staatskassen einen solchen Markteingriff fordern?
Wirklich überzeugend scheint das alles nicht. Im Gegensatz zur Situation in den USA, ist bei uns keine wirkliche Notlage zu sehen: unsere Versorgung mit Öl ist nicht gefährdet sondern nur den Marktgesetzen folgend massiv verteuert. Durch einen – wie auch immer gearteten – Eingriff der Bundesregierung liesse sich der Benzinpreis nur begrenzt korrigieren. An der Zapfsäule würden wir es kaum merken und vor allem: nur über einen verhältnismäßig kurzen Zeitraum. Wären die Reserven dann aufgebraucht, würde der Preis wieder nach oben schnellen und der Staat müsste (von welchem Geld eigentlich?!) zu einem ungünstigen Zeitpunkt zu hohen Preisen die Reserven wieder auffüllen – schließlich sollen sie im Notfall ja wieder zur Verfügung stehen.
Breaking news! Es herrscht Wahlkampf in Deutschland!
[Ein paar Zahlen: die Tagesschau spricht von 10,2 Millionen Tonnen Rohölreserven, die FTD von 26 Millionen Tonnen „Rohöl und Ölprodukte“, während „Bild“ auf ihrer heutigen Titelseite Reserven für 90 Tage nennt. Laut Esso verbraucht die deutsche Fahrzeugflotte jährlich 25 Millionen Tonnen an Ottokrafstoffen und 29 Millionen Tonnen Diesel, ExxonMobil beziffert (PDF) den deutschen Erdölverbrauch auf 129,2 Tonnen im Jahr 2000.]