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Ministerschelte

Claus Christian Malzahn von „Spiegel Online“ ärgert sich. Ausführlich. Über die – aus seiner Sicht – Geschmacklosigkeit Trittins, der im Gastbeitrag der „Frankfurter Rundschau“ von Gestern ein „Kyoto zwei“ fordert.

[…] Jürgen Trittin, Bundesumweltminister, der Mann, der findet, dass wir alle zuviel Auto fahren, der unser Land mit Windmühlen übersät und mit dem Dosenpfand gesegnet hat.

So kündigt Malzahn den Hauptteil seines Kommentars an und eigentlich könnte man hier mit der Lektüre aufhören. Denn was folgen wird, davon gibt Mahlzahn in den einleitenden Absätzen bereits einen Vorgeschmack: wir Deutschen sind ganz arg schlimm böse, weil wir die USA jetzt nicht mit Soforthilfemaßnahmen und Spendengeldern überfallen. Hey! Es geht hier um die U. S. of A. Nicht irgendein Dritteweltstaat, der vom Jahrhunderttsunami überrascht wurde. Eine, wenn nicht die, Industrienation der ersten Welt. Und „Katrina“ mag wegen seiner Heftigkeit eine Sonderstellung einnehmen, aber es ist nicht der erste Hurricane, der die USA trifft. Und vor allem: er trifft sie nicht vollkommen unvorbereitet, im Gegenteil! Die USA verfügen über alle Ressourcen, damit umzugehen – wenn sie Hilfe benötigen, werden sie das mitteilen und es wird ihnen geholfen werden.

Aber darum geht es ja nur in zweiter Linie. Der böse Minister findet, dass wir zuviel Auto fahren. So ganz unrecht hat er nicht – und das sage ich als „eingefleischter“ Autofahrer. Dosenpfand mag lästig sein, das hat aber zum guten Teil der Handel zu verantworten – ökologischer Nonsense ist es auch nicht. Und wenn wir nicht im Atommüll untergehen wollen, müssen wir wohl sehen, welche anderen Energiegewinnungmaßnahmen sinnvoll sind.
Es mag nicht pietätvoll sein, anlässlich einer Naturkastatrophe darauf hinzuweisen, wie sorglos wir mit unserer Umwelt umgehen… nur: zu einen anderen Zeitpunkt passt es nicht in die Medienagenda. Oder schreibt heute jemand über BSE? Interessiert uns heute ernsthaft, wie es den Überlebenden des Tsunamis geht?

Aber darum geht es bei einer Ministerschelte ja nicht.

In einem Moment, wo im Süden der USA die Leichen noch nicht gezählt sind, fällt dem deutschen Umweltminister nichts anderes ein, als dem amerikanischen Präsidenten in einem von der „Frankfurter Rundschau“ veröffentlichten Aufsatz zu bescheinigen, dass die USA letztlich selbst schuld seien an dieser Katastrophe. 3931 Zeichen ist der Text lang, kein Buchstabe des Bedauerns ist darin zu finden. Mit dieser kühlen, hämischen Grundhaltung steht Trittin nicht alleine da.

Voller Mitgefühl für die Opfer des Hurricanes zählt der Autor des Spiegel-Kommentars also die Zeichen, die der Text des bösen Ministers lang ist. Vielleicht hätte er die Zeichen nicht nur zählen, sondern auch lesen sollen? Malzahn hat zwar recht, dass Trittin kein Bedauern zum Ausdruck bringt – aber eine hämische Grundhaltung? Sorry, die erkenne ich nicht. Und ich zähle mich sicherlich nicht zum Fan-Club des Ministers. Ein „selbst schuld“ ist ebenfalls nicht zu lesen, auch erkenne ich im inkriminierten Text keinen Antiamerikanismus. Trittin kritisiert Bush und zeigt, dass es zu dessen umweltpolitischer Linie auch im eigenen Land, sogar in der eigenen Partei, Widerstand gibt. Bush-Kritik mit Antiamerikanismus gleichzusetzen ist, um Malzahn selbst zu zitieren: „Bullshit“. Ebenso wie die Gleichsetzung eines Sturms mit einem Weltkrieg. Auch wenn das nur ein verzweifelter Versuch ist, den Kommentar mit der Erinnerung an die Care-Pakete zu schließen.